Nicht selten klingt in politischen Kontexten das Wort Nachhaltigkeit.
Ob in der Atompolitik, der Umweltpolitik oder in wirtschaftspolitischen Debatten. Der Punkt Nachhaltigkeit, also die Tatsache, dass Ressourcen nicht über ihr Limit verbraucht werden, sodass zukünftige Generationen ihre Bedürfnisse befriedigen können, gerät seit der Popularität umweltpolitischem Engagements in die Mühle jeglicher Diskurse. Auch wenn man das Thema unmittelbar mit umweltpolitischen Entwicklungen konnotiert, kann ebenso die Frage gestellt werden, inwiefern wir auf freundschafts-kommunikativer Ebene an die Nachhaltigkeit denken. Wie sieht sie aus, die heutige Bedeutung von Freundschaft? Ist sie ein temporär angelegter Akt des sozialen Handelns, oder rutscht sie aufgrund zahlreicher Modernisierungstendenzen in einen Korb der wohlbehüteten Pflege? Sind heutige „Freundschaften“ darauf ausgelegt, Verknüpfungen über Generationen zu machen? Mit welchen (womöglich unbewussten) Zielen gehen wir an Freundschaften heran in einer Zeit des Networkings? Und wie vertretbar ist die Verknüpfung zwischen Intendiertem und Sozialem?
Fest steht: Wir leben in einer Zeit absoluter Massenmedien und Kommunikation. Wir kommunizieren allerorts. Simsen, bloggen, twittern. In dieser Dauerbeschallung gestalten wir; wir formen und beeinflussen, geraten jedoch potzblitz aus dem Schleier gemeinsamer Verbindung, wenn wir uns technischer Raffinesse entsagen. Vielleicht sind wir eine Wanderhorte, die sich selbst kasteit und doch immer weiter schreitet, weil uns die Neugierde treibt. Aber begeben wir uns in den Strudel, weil uns die Mittel zur Verfügung stehen, oder ist dies die Antwort auf die Erkenntnis, dass sie wohl nahezu die einzige Chance überhaupt sind zu kommunizieren und Kontakte zu pflegen?
Letztens nach einer Party hatte ich von drei mir nicht gänzlich unbekannten Mitmenschen Freundschaftsanfragen bei Facebook. Ein wenig verärgert über ihren so schnellen Versuch der Freundschaftsanbahnung, ignorierte ich sie. Gleichsam stelle ich fest: Je mehr Freundschaftseinladungen abgeschickt werden, desto weniger habe ich das Interesse auch wirklich auf den „akzeptieren“-Button zu klicken. Ein inflationärer Gebrauch dieser Einladungsaktion ist keine Seltenheit. Und mein übermäßiges Ablehnen ebenso wenig. Einige Mitmenschen von mir haben sich in der virtuellen Welt eine zweite Identität angelegt. Sie nenne es nicht so. Aber die Tatsache, dass sie sich im Internet konstruieren, darstellen und – oftmals – nahezu ganztäglich aufhalten legt nahe, dass sie einen zweiten Teil des Ich konstituieren.
Müssen wir uns eine Welt konstruieren abseits der Realität? Brauchen wir einen Parallelort, um der rasenden Entwicklung entgegenzutreten? Um abzuschalten? Oder um in diesem Fluchtpunkt Eindrücke, die wir sammeln, aufzuarbeiten und zu verarbeiten?
Auf Facebook habe ich um die hundert Freunde. Ich „kenne“ jeden und muss zugeben: ich kenne sie alle und doch nur die wenigsten genau. Ich gebe zu: Mich interessieren Beziehungen, Aktivitäten, Verabredungen. Ich gebe zu, mich interessiert: Who says what in which channel to whom with what effect?
Ich gebe zu, dass die meisten Kontakte, die wir eingehen, von oberflächlicher Natur sind. Wir gehen auf Partys, Konzerte. Besuchen Lesungen und andere kulturelle Veranstaltungen, weil uns dank moderner Technik nur noch das wenigste an (Ausgeh-)Informationen entgeht. Wir leben nicht mehr in einer abgeschlossenen Blase, sondern bewegen uns vielmehr in einem offenen, dynamischen Raum, der es uns ermöglicht, Angebote wahrzunehmen oder abzulehnen.
Vielleicht ist es gerade dieser Punkt: Die Bewegungsfreiheit, das partielle Missen von reglementierenden Schranken und Barrieren führt in einen Zustand des Verarbeiten.
Vielleicht fühlen wir uns ohnmächtig. Und vielleicht ist es die Maße, die es einem erschwert, nachhaltige Kontakte einzugehen. Das, was allerdings unvermeidlich ist, ist die Tatsache, dass wir vertrauenswürdige Menschen um uns herum benötigen, um das auszuführen, was uns als Menschen ausmacht: Das sozial Handeln.