Momentan bin ich der Sturm. Ich wehe durch die Stadt, lasse die letzten Blätter nahezu karger Baumkronen auf den Boden rieseln, sorge für lächelnde Gesichter tobender Kinder und rote Nasen wohl eingepackter Passanten auf Gehwegen. Momentan bin ich ein Sturm. Krieche unter Türschlitze, wehe durch die Gassen und schleiche umher. Langsam, leise. Denn eine Komposition wohlgesetzter Töne braucht ihre Zeit. Schließlich entstehe auch ich nicht aus einem Sturmgebilde, sondern winde mich aus meinen moderateren Brüdern und Schwestern dieser Welt. So schlafe ich immer mal wieder eine Weile, ehe ich ausgeruht in die nächste Periode landschaftlicher Erkundungen übergehe. Viel wird zurzeit geredet. Es manifestiere sich ein Tempowahn in Deutschlands Gesellschaft. So wird gesagt. Ein Wahn, der nicht gerne ausgebreitet wird, aus Angst vor der Zeit. Und ihrem Verlust. Dieser Wahn solle die Produktivität geistiger Tätigkeiten fördern, sagen die einen. Alles Quatsch, betonen die anderen. Er führe zum blinden Rezipieren, vernachlässige das Reflektieren. Das kritische Reflektieren. Auf das wir hier doch so stolz sein können, im Meinungsfreiheitsländle. Oft werden andere Länder zum Vergleich herangezogen. Mit Zahlen umher geworfen. Rankings erstellt. Gespräche geführt. Und unter vorgehaltener Hand spricht man von einem Ökonomiesierungsprozess der Bildungsinstitutionen. Oder dem Hin –und Herschieben der jeweiligen Pflichten von Bund und Länder. Aber zuweilen lächeln Verantwortliche öffentlich lieber in eckige Linsen. Preisen eine „Herzensbildung“, die pluralistische Gesellschaft oder fortwährende Leidenschaft für Bildung. Dann denke ich mir: Gut, dass ich nur saisonal stürme. Oder sollte ich aus Solidaritätsbekundungen besser zum Orkan mutieren?
Sonntag, 29. November 2009
Donnerstag, 19. November 2009
stehend gesehen.
Mittwoch, 18. November 2009
demozone.
Jetzt ist sie da. Die Protestwelle. Überschwemmt Gesagtes, Gedachtes, Gemeintes. Eine kundtuende „Rebellion“, die eigentlich schon früher hätte starten können. Noch bevor Österreichs Studentenlandschaft auf die Barrikaden ging.
Die Proteste sind unübersehbar. Audimaxe werden in Schlafräume umfunktioniert, Plakate und Banner zieren die sonst kahlen Wände der Unigebäude, hie und da versorgen engagierte Studenten ihre Kommilitonen mit Flyern und Infoblättern. Die sonst häufig von Kritikern in den Raum geworfene Protestlethargie löst sich auf im nasskalten Novemberwetter. Am gestrigen Dienstag gingen vielerorts Protestzüge durch die Straßen; in Großstädten wie Köln oder Hamburg verbalisierten die Studierenden Frust und Ärger in Parolen wie „Die Universität ist keine Legebatterie…“.
Rufe. Sitzstreiks. Gegen Studiengebühren, gegen Bologna-Reformen. Gegen das Bachelor –und Mastersystem. Und vor allem gegen soziale Ungleichheit und die damit verbundene gesellschaftliche Selektion. Für diese Einforderungen sind sich die Studenten nicht zu schade. Der Campus erscheint im Lichte der Mobilisierungswellen wie ein Ort des politischen Tableaus. Da stört es nicht, wenn nach einer unbequemen Nacht im Schlafsack der Rücken schmerzt.
Ganz im Gegensatz zu unseren politischen Spitzenkräften, die als Meseberger Kuschelkabinett in federweichen Betten nächtigen – und sich die ein oder andere Weinprobe genehmigten. Wie weit politische Realitäten auseinanderklaffen können, wird nicht nur im Alltag deutlich, wenn Renate Künast ihre Weibskraft auf dem Bauernhof unter Beweis stellt. Nein, es reicht schon, wenn Außenminister Westerwelle die Woche im barocken Prunkschloss als äußerst harmonisch und konstruktiv darstellt. Bezüglich Erkenntnissen, die eigentlich schon waren.
Und hoffentlich auch bald für solche, die eigentlich sein müssten.
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