Mittwoch, 16. Dezember 2009

was unter dem baum liegt.


Alljährlich stellt sich die besinnliche Frage: Was schenke ich meinen Liebsten? Kreativitätsstagnaten, die noch immer in Unterwäscheabteilungen rennen, um die mehr oder weniger Glückliche mit falschen Größen zu bereichern, sterben wohl nie aus. Dabei liegt doch der entscheidende Liebesschmankerl im Quäntchen Kreativität.
Urban Outfitters hilft bei Hoffnungslosen: Im Onlineshop siedeln sich unzählige Ideen an, was man wem zukommen lassen kann. Und wer das Glück hat, Hamburg als Heimatstadt nennen zu dürfen, der kann in Ruhe auf Entdeckungstour gehen.
Nur eines trägt einen faden Beigeschmack: Die Preise. Diese sind mitunter schwerer als die größte Tanne und trotz 100% Plastik nicht nachzuvollziehen. Aber wie sagt Fried: Das Leben wäre vielleicht einfacher, wenn ich dich nicht getroffen hätte...

Mittwoch, 9. Dezember 2009

du und ich.

Letzte Nacht hatte ich einen Traum. Ich träumte von einem gelben Klettergerüst, das in meiner Grundschulzeit den Pausenhof zierte. Unglaublich groß erschien es uns. Unglaublich erkundungswürdig. Und so tauchten wir ein in die Welt der Piraten, der Räuber und Banditen, ich Robin Hood und du Maid Marian, wir aßen unsere Pausenbrote und befleckten Hosen, Oberteile und Schuhe, bis wir ausgelaugt in den Unterricht schlurfen. Wir genossen Spiele und Duelle, denn das Gerüst war unser Reich, unsere Hochburg kindlichen Eifers. Einmal oben angekommen, gab es kein Zurück mehr, kein Halten, kein Stopp. Nur der flaue Wind, ich, wir und unsere Phantasie. Ein Schiff in unserem Hafen, auf das ich mich freute, und umso mehr in Spannung versetzte, je öfter der Regen klettergerüstfreie Tage garantierte.
Als ich letztens meine ehemalige Schule besuchte, strahlte das Gerüst nicht mehr in seinem leuchtenden gelb. Die Witterung presst ihre Finger auf die Eisenstangen, moosähnliches Grünzeug haftet wie eine Brandwunde an seinen Gliedern. Es steht wie ein Fels im Wasser, wie eine verlassene Liebe am Bahnhof. Es steht und spricht. Aber es erzählt nicht mehr. Und neben ihm auf den Bank, ein Kind, das spielt.
(picture by ryan mcginley)

Sonntag, 6. Dezember 2009

flieder ist leer.

Eine schwarz verhüllte Frau blickt mit eindringlichen Augen auf den Betrachter. Bedrohlich ist ihre Erscheinung. Aber die Frau wirkt nicht nur bedrohlich, sie kratzt förmlich an der Oberfläche des Herzens. Diese schwarze Gestalt schürt Ängste. Existenzielle Ängste aus einer akuten Bedrohung heraus, die nicht nur für die eigene Person, sondern womöglich für zahlreiche Mitmenschen zur Gefahr wird. Per se durch ihren Tschador – samt Niqab.
Um sie herum verteilen sich Minarette. Wie schwarze Pflöcke siedeln sie auf rotem Grund. Nadelförmige Dächer, die weniger einen Leuchtturm darstellen als vielmehr einen Wachturm. Oder eine hochexplosive Mischung, die in Reih und Glied formiert ist – und ihre Zündschnur zischt bereits leise vor sich hin. An ihr hängt die Schweiz. Deutschland. Europa. Denn der Minarettstreit ist nicht erst seit gestern tief in nationalem Boden verwurzelt. Ebenso wenig die Kontroverse um Integration oder Religionsfreiheit.
Doch das Erschreckende, das diese Themen umzingelt, liegt in der Art und Weise, wie der Islam in den Medien präsentiert wird. Diese relativ eindimensionale Präsentation führt häufig zu dem Trugschluss, dass der Islam als Begriff und seine Assoziationen indes für jedwede Thematik herhalten kann – obwohl dieser einen eigentlich nur schwer zu definierenden Begriff darstellt. Die Annahme, es gäbe den Islam, ist zum Scheitern verurteilt. Medien berichten über Unrechtsregime, der Politisierung religiöser Inhalte oder radikalen (theologischen) Ideologien – in Verbindung mit dem Islam. Doch die Religion selbst ist weltweit zerstreut. In Indonesien, wo sie ihre meiste Anhängerschar hat. Im nahen Osten, in Europa etc.… . Und stets obliegt die Notwendigkeit, den Islam aus ethischer, politischer oder moralischer Perspektive zu betrachten. Dass diese – je nach Land und Bedingungen – variiert, macht es umso schwieriger, einen universalen zutreffenden Islambegriff zu finden. Islamberichten in den Medien fehlt zumeist jedoch diese Betonung der Mannigfaltigkeit des Terminus Islam. Häufig wird suggeriert, Islam an sich sei Unterdrückung, in ihm gäbe es keinen Wertepluralismus, er beachte nicht die Menschenrechte. Es gleicht einer Einbahnstraße, auf der sich viele Medien befinden. Nur weil global agierende Netzwerke Radikalismus in der Welt verbreiten, ist es nicht legitim, den Islam als Unrechtsreligion zu stigmatisieren.
Die Interpretation des Islams war schon nach Mohammads Tode ein entscheidender Punkt, der eine ganze Gemeinschaft in Zwei gespalten hat. Doch das häufig von den Medien präsentierte und an Populismus grenzende Islambild birgt die Gefahr, dass wir uns in einem Strickmuster verfangen und zunehmend den Blick verlieren für die Wirklichkeit. Radikal geschürte Doktrinen, wie sie dank der Schweizer Kampagne gestreut werden, lassen den Islam die bittere Note erfahren, die in so vielen Köpfen der Gesellschaft innewohnt. Dünne Luft, die hoffentlich nur solange hinreicht, wie sie ihre bis dato unwissende oder noch unaufgeklärte Nutzerkolonne einatmet.