Donnerstag, 21. Oktober 2010

mindless.

Nicht selten klingt in politischen Kontexten das Wort Nachhaltigkeit.
Ob in der Atompolitik, der Umweltpolitik oder in wirtschaftspolitischen Debatten. Der Punkt Nachhaltigkeit, also die Tatsache, dass Ressourcen nicht über ihr Limit verbraucht werden, sodass zukünftige Generationen ihre Bedürfnisse befriedigen können, gerät seit der Popularität umweltpolitischem Engagements in die Mühle jeglicher Diskurse. Auch wenn man das Thema unmittelbar mit umweltpolitischen Entwicklungen konnotiert, kann ebenso die Frage gestellt werden, inwiefern wir auf freundschafts-kommunikativer Ebene an die Nachhaltigkeit denken. Wie sieht sie aus, die heutige Bedeutung von Freundschaft? Ist sie ein temporär angelegter Akt des sozialen Handelns, oder rutscht sie aufgrund zahlreicher Modernisierungstendenzen in einen Korb der wohlbehüteten Pflege? Sind heutige „Freundschaften“ darauf ausgelegt, Verknüpfungen über Generationen zu machen? Mit welchen (womöglich unbewussten) Zielen gehen wir an Freundschaften heran in einer Zeit des Networkings? Und wie vertretbar ist die Verknüpfung zwischen Intendiertem und Sozialem?
Fest steht: Wir leben in einer Zeit absoluter Massenmedien und Kommunikation. Wir kommunizieren allerorts. Simsen, bloggen, twittern. In dieser Dauerbeschallung gestalten wir; wir formen und beeinflussen, geraten jedoch potzblitz aus dem Schleier gemeinsamer Verbindung, wenn wir uns technischer Raffinesse entsagen. Vielleicht sind wir eine Wanderhorte, die sich selbst kasteit und doch immer weiter schreitet, weil uns die Neugierde treibt. Aber begeben wir uns in den Strudel, weil uns die Mittel zur Verfügung stehen, oder ist dies die Antwort auf die Erkenntnis, dass sie wohl nahezu die einzige Chance überhaupt sind zu kommunizieren und Kontakte zu pflegen?
Letztens nach einer Party hatte ich von drei mir nicht gänzlich unbekannten Mitmenschen Freundschaftsanfragen bei Facebook. Ein wenig verärgert über ihren so schnellen Versuch der Freundschaftsanbahnung, ignorierte ich sie. Gleichsam stelle ich fest: Je mehr Freundschaftseinladungen abgeschickt werden, desto weniger habe ich das Interesse auch wirklich auf den „akzeptieren“-Button zu klicken. Ein inflationärer Gebrauch dieser Einladungsaktion ist keine Seltenheit. Und mein übermäßiges Ablehnen ebenso wenig. Einige Mitmenschen von mir haben sich in der virtuellen Welt eine zweite Identität angelegt. Sie nenne es nicht so. Aber die Tatsache, dass sie sich im Internet konstruieren, darstellen und – oftmals – nahezu ganztäglich aufhalten legt nahe, dass sie einen zweiten Teil des Ich konstituieren.
 Müssen wir uns eine Welt konstruieren abseits der Realität? Brauchen wir einen Parallelort, um der rasenden Entwicklung entgegenzutreten? Um abzuschalten? Oder um in diesem Fluchtpunkt Eindrücke, die wir sammeln, aufzuarbeiten und zu verarbeiten?
Auf Facebook habe ich um die hundert Freunde. Ich „kenne“ jeden und muss zugeben: ich kenne sie alle und doch nur die wenigsten genau. Ich gebe zu: Mich interessieren Beziehungen, Aktivitäten, Verabredungen. Ich gebe zu, mich interessiert: Who says what in which channel to whom with what effect?
Ich gebe zu, dass die meisten Kontakte, die wir eingehen,  von oberflächlicher Natur sind. Wir gehen auf Partys, Konzerte. Besuchen Lesungen und andere kulturelle Veranstaltungen, weil uns dank moderner Technik nur noch das wenigste an (Ausgeh-)Informationen entgeht. Wir leben nicht mehr in einer abgeschlossenen Blase, sondern bewegen uns vielmehr in einem offenen, dynamischen Raum, der es uns ermöglicht, Angebote wahrzunehmen oder abzulehnen.
Vielleicht ist es gerade dieser Punkt: Die Bewegungsfreiheit, das partielle Missen von reglementierenden Schranken und Barrieren führt in einen Zustand des  Verarbeiten.
Vielleicht fühlen wir uns ohnmächtig. Und vielleicht ist es die Maße, die es einem erschwert, nachhaltige Kontakte einzugehen. Das, was allerdings unvermeidlich ist, ist die Tatsache, dass wir vertrauenswürdige Menschen um uns herum benötigen, um das auszuführen, was uns als Menschen ausmacht: Das sozial Handeln.                                                                                                                                                      

Donnerstag, 30. September 2010

Tausendsassa.


Dass Kleider Leute machen denkt man sich oftmals im Großstadtgefüge. Abgesehen von der aufflammenden Biedermeierkultur und dem Wunsch nach stützenden Werten, ist das Leben, wie schon in Kleists Novelle dargestellt, eine aus Ereignissen bestehende Landschaft, ein Gewühl aus Erwartungen, Unklarheiten, Verwechslungen. Kurz: Ein Soziotop, das nicht nur lebt von realem Tun, sondern vor allem von künstlich Stilisiertem.Wir kennen das Reale in unmittelbarem Umfeld – und strecken uns  nach dem Hauch des eigentlich Ungreifbaren, weil er im guten alten American Dream Denken womöglich gar nicht so weit weg ist.
Die amerikanische Marke American Apparel (AA) ist so ein Fall, in welchem Schein und Sein wie ein Möbiusband miteinander verknüpft sind. Das Unternehmen und seine Geschäftsphilosophie des American Way of Living samt Attributsiegel „freiheitsliebend, szeneaffin, einzigartig“, hat seit seiner Geschäftsgründung im Jahr 1997 unzählige Anhänger. Ob in New York, Paris oder London – auf den Straßen der Welt tummeln sich Junge wie Alte in den für AA so typischen Schnitten. Die Marke ist dort zu sehen, wo kreative Köpfe werkeln und Arbeit und Lifestyle ineinander übergehen.
AA steht für Fairness innerhalb des martialischen Uhrwerks namens Kapitalismus. Sweatshopfreie Kleidung, faire Löhne, Umweltschutzengagement oder Partizipation in der Immigrantenpolitik.
Es gibt kaum einen Bereich, in dem das Unternehmen nicht seine Kultur verankert. Ein fairer Riese also?
Dreh – und Angelpunkt des Lifestylekonglomerates ist Gründer Dov Charney. Der Terry Richardson Verschnitt steht für die Lockerheit und Dynamik der Globalisierung. Gekürt als Unternehmer des Jahres, expandierte seine Modemarke in über 19 Länder. Charney katapultierte AA mit seiner Mischung aus ethischem Bewusstsein und kalkulierter Unternehmergier in die Zone  eines zukunftsfähigen Moderiesens.
Doch der sonst so soziale Unternehmer Charney hat seit jeher noch einen anderen Ruf. Bereits mehrmals wurde Charney wegen sexueller Belästigung  von Mitarbeiterinnen angeklagt, weil sein Hang zur liberalen Sexualmoral innerhalb des Unternehmens – unter anderem der öffentlichen Masturbation – auf Grenzen stieß. Hinter den Kulissen in L.A. hängt die Glücksfeder also längst nicht mehr, die Fassade bröckelt seit geraumer Zeit. Steigende Preise, kaum Saleangebote, und die nicht wenig kursierende Meinung, dass AA zu sehr in den Mainstream abrutscht. Doch vor allem, weil die Gründerfigur nun existenzielle Probleme hat: Das Konstrukt American Apparel steht in den Miesen. Wie diverse Zeitungen bereits vor ein paar Wochen berichteten, sei die Liquidität des Unternehmens für die nächsten zwölf Monate womöglich nicht gewährleistet. Von dem im Jahr 2009 erwirtschafteten Umsatz von rund 560 Millionen Dollar blieb nur ein Gewinn von einer Millionen Dollar. Hat Mister Charney sein Prestigeobjekt gegen die Wand gefahren? Hat er das Konstrukt American Apparel zu sehr ausgereizt, und dem ökonomischen Zeitlauf mit geschlossenen Augen den Rücken gekehrt?
In „Kleider machen Leute“ findet Schneidergeselle Strapinski sein Glück.
„Wer sind Sie?“ „Ich bin nicht ganz so, wie ich scheine!“
Und hier haben wir es wieder, das Wort Konstrukt.

Mittwoch, 29. September 2010

Mongolensturm.

"Wir haben keine Zeit für Feminismus.
Wir müssen uns um Gleichberechtigung kümmern."





 all by Mareike Günsche, Hamburg

Samstag, 18. September 2010

weitwärts.


Einbahnstraßen. Lauter Trassen Dynamit. Fehlende Leuchtkegel, abgegraste Pflichtphrasen und insgeheim die Erkenntnis, dass Yann Tiersen eindeutig impulsivere Reize vermittelt als eine uniformierte Gefolgschaft a la „Raupe Nimmersatt“.
Was die letzten Tage vor sind hin dämmerte im blassen grün einer insellosen Hysterie, war weit mehr als nur eine zarte Welle fehlgeleiteter Informationen und lautstarker Kapriolen.
Es ist nicht nur das schwungvolle S – Terzett gewesen, das die Region aufschreckte. Nein. Auch ihre Kollegen hüllten sich in den Tempowechsel des Herbsts. Ähnlich wie ein Fest politischer Blütenrhetorik.
Es war eine Woche, die sich unter dem Schlagwort Kommunikationsoase unter Wert verkauft hätte.
Eine Woche „kleinlauter“, devoter, unliebsamer, und überaus mangelhafter Kommunikation.
Grünes Urgestein Claudia Roth schwört der Koalition „einen heißen Herbst“, Renate Künast präludiert auf einem Regenbogenfamilienfest in der Hauptstad Melodien, die zusammenschweißen („Familie ist, wo Menschen für einander Verantwortung übernehmen“), Gysi kritisiert das Vorgehen des Verfassungsschutzes und konsterniert: „Dieses Bundesamt steckt noch im Kalten Krieg.“ Und auch Arbeitsministerin von der Leyen zögert nicht beim Griff in die verkapselte Wortkiste. Ginge es nach ihr, spräche man nicht vom bereits Kultcharakter angenommenen Hartz-Begriff (Zitat: „Und was machst du?“ „Ich hartze!“), sondern vom Neutralität ausstrahlenden Basisgeld. Vielleicht sollten Bildungsgutscheine lieber unter dem Namen temporärer Bildungszusatz oder freiwillige Bildungstransaktion geführt werden.
Kommunikation und Rhetorik erfordern eine wachsame Aufnahme vom Rezipienten. Und wie schon Rilke und Brecht feststellten, können sie gefährlich sein und stellen bei Missbrauch (der rhetorischen Mittel) nicht nur den institutionellen Gewaltapparat infrage, sondern den Verstand des Zuhörers.
Ohne auf die Prämisse des angestrebten eigenen Vorteils zu achten, können Floskeln von Unternehmern, Politikern oder weiteren Mitmenschen nicht aufgenommen und verarbeitet werden. Im Gegenteil. Die von höheren Instanzen eingeleitete Kommunikation gleicht einem bereits fertig gewebten Netz, welches je nach Gesprächspartner ausgeweitet wird. Diese prinzipiell vorgefertigte Struktur befördert das, was Umfragewerte eines Politikers von dem einen auf den anderen Moment umschlagen lassen: Fehlende Authentizität.
Doch da gerade die Rede von Unternehmen war. Außenminister und Parteigröße Guido Westerwelle ist seiner Pflicht nachgekommen und äußerte sich zu den heutigen Parlamentswahlen in Afghanistan. Erkenntnisreicher hätte seine Analyse nicht ausfallen können. Weise sprach er ins Mikro: „Wahlen, wie wir sie in Mitteleuropa kennen, werden es nicht geben.“ Seine ebenso angesprochene „Aussöhnung und Reintegration“ erscheint jedoch fragwürdig. Den extremistischen Taliban, die für eine strikte Scharia ohne Modernisierung und zeitgenössische Koraninterpretation stehen, können in einer vom Westen angekarrten Demokratieblase nicht bestehen.
Doch alles in allem hilft nach Drahtseilphrasen weder das Pflichtpardon, noch der scheue Blick zur Seite.
Zum Fremdschämen kann man hier und da auch öffentlich Stellung beziehen.

Donnerstag, 9. September 2010

IFArnal noise.


Nach gefühlten acht Kilometer Fußweg, einem brummenden, von Elektrosmok gebeutelten Kopf und der notwendigen Ruhe, um eingefangene Impressionen zu verdauen, ist es Zeit, die Eindrücke der Internationalen  Funkausstellung (IFA) in Berlin kurz zusammenzufassen.Dieses Jahr feiert die IFA ihr 50. jähriges Bestehen. Ein Jubiläum, das mit selbstlobend zahlreichen Höhepunkten Besucherscharen zum Messegelände locken soll.
Doch was verspricht die Ausstellung?
Die IFA präsentiert neue Technologien aus den Bereichen Kommunikation, Haushalt und Unterhaltung. Drei Trends fallen hier auf: iPad Pendants, eBooks und – die Zukunft des Unterhaltungshimmels – 3D Fernsehen. Gerade letzterer Trend zielt laut Hersteller darauf ab, das angebliche Bedürfnis der Menschen nach einem authentischen, „barrierefreien“ Fernsehvergnügen zu befriedigen. Hersteller wie LG, Panasonic oder Sony bieten Bildschirme über Bildschirme („die dünnsten ihrer Art“) und werben mit 3D-Vorstellungen, die das neuartige Fernseherlebnis an den Mann bringen.
Wander man durch das Messegelände fällt auf: Die Aktivität des Besuchers ist gefragt. Hier die Brille auf die Nase, da den Controller in die Hand. Selbsterleben ist entscheidend. Auch für das Kaufverhalten der zahlreichen potenziellen Kunden, die über die Teppiche der Hallen schlendern. Und diese mögen vor allem eines: Werbegeschenke. Junge wie alte Besucher hantieren mit Tüten voller unnützer Geschenke. Getreu dem Motto: „Et is doch umsonst.“  Rudel – und Massenagieren der Menschen par excellence in drei Stufen: Sichten, Analysieren, Agieren. Ein Prozess des Gebens und Nehmens – wobei sich der Besucher fragen sollte, wer mehr vom gegenseitigen Austausch profitiert.
Kann man den typischen Besucher der IFA charakterisieren? Nein. Dank Branchenausweitung bietet die IFA für jeden ein Häppchen Info. Auch das oftmals aufkommende Klischee, ältere Menschen sind in punkto neue Medien nicht auf dem neuesten Stand, findet keinen Rückhalt.
Ob jung oder alt – mit einem Problem haben jedoch nahezu alle Besucher beim Rundgang zu kämpfen: Steht die Ausstellung für die Präsentation unzähliger Neuheiten aus der Kommunikationbranche, so gestaltet sich der kommunikative Austausch zwischen Publikum und Anbieter als schwierig. Hersteller werben mit Slogans aus der trickreichen Englischkiste. International soll also es nicht nur heißen, sondern auch klingen. Und doch: Das Fachjargon, mit dem die Besucher durch die Mehrheit der Aussteller konfrontiert werden, löst bei nicht wenigen fragende Blicke aus. Es scheint ganz so,  als hätte die Sloganwerkstatt Schiffsbruch erlitten.
Und dennoch: Die IFA kombiniert wortgenau Unterhaltung mit Information. Dass sie von Europa und nicht von Euros spricht, hat Sinn. Und das ist wohl auch gut so, denn ansonsten wären die Hallen wohl um einiges leerer.

Donnerstag, 2. September 2010

Weltengefilde.

An manchen Tagen hat man das Gefühl, die Welt dreht sich irrsinnig schnell. An anderen wiederum meint man, die Zeit ziehe sich wie eine klebrige Masse auseinander.  Und an manchen Tagen wundert man sich zuweilen darüber, wie schnell das  Zeitgefühl aus dem Ruder gebracht wird.
Es hätte eine relativ ruhige Sommerpause für die SPD werden können. Umfragewerte bezeugen steigende Beliebtheit, die FDP verheddert Arme und Beine im eigenen Personenkarussell, und während sich die Kanzlerin als dogmatisch handelnde Sorgenfalte durch die Atomlobby räkelt, hätte die SPD mit Fahrtwind im Rücken konstruktiv von ihrer Oppositionshaltung ausgehend agieren können. Doch in Zeiten schonungsloser  ParteiKonsolidierung, gibt es immer wieder den ein oder anderen, der abseits der Politiktrasse für Aufruhr sorgt und an den Wurzeln der eigenen Riege wackelt.
Dieses Mal ist die Rede von Thilo Sarrazin. Waren es vor einigen Monaten Kommentare zur Integrationsdebatte, mit denen Sarrazin sich ins politische Abseits verfrachtete, so lockt er auch dieses Mal mit weit geöffnetem Mund. Und die Rabenschar Medien folgt. Sarrazin spricht aus, was viele unmittelbar als rassistische und diffamierende Äußerungen einordnen würden. Er redet vom gemeinsamen Gen der Juden, wirft spitze Thesen in den Raum über Migranten und Behinderungen und stochert eloquent im Stile der Jurisprudenz dort weiter, wo nicht mehr zu erkennen ist, ob seine  Ansichten mit sozialdemokratischen Werten vereinbar sind.
Wie schaut es  innerhalb der Partei aus? Kraft kommentiert auf hölzernem Posten, Gabriel legt, sichtlich genervt über Wiederholungstäter Sarrazin und dem Parteiklamauk, einen Parteiaustritt nahe, und Steinmeier – der sagt nichts. Bild dankt.
Auch unter Grünen und Linken häufen sich Kommentare, die einen Parteiausschluss Sarrazins befürworten: Künast beurteilte Sarrazins Verhalten als „dreist“; aus Ecken der Linken heiße es, dass Sarrazin untragbar für das Amt sei.  Fest steht: In der Opposition herrscht Geschlossenheit. Eine Geschlossenheit, die entsteht, wenn der eigene Finger in fremde Wunden drückt und die eigenen zuweilen außer Acht gelassen werden. Wie die SPD handeln wird, bleibt abzuwarten.
Zu hoffen ist allerdings, dass sie nicht den Erwartungen der Medien nachgibt. Und dass sie sich an die eigene Nase packt. Denn gewichtige Entscheidungen zur Integrations –und Einwanderungspolitik fielen in die Ära Rot-Grün. 
Es liegt also an der Parteispitze, das Zeitrad langsamer zu drehen und über eigene Fehler nachzudenken. 
Doch wie heißt es so schön: Die Welt ist eine Bühne und wir alle nur Schauspieler.

Donnerstag, 6. Mai 2010

sommerallee.

du lädst 
mich ein
in deine
klangspielschule
eines abends 
im herbst.
nur noch
vodkaverkehr
faselst du leise
in den 
leuchtturm
unseres glücks.
geheim
mein eichtalpark
unterm bett.

und nur ich
satz spiel zwei
hörte sie
tönen.

tagelang.

Montag, 15. März 2010

something´s out there.

Ob in Afghanistan nun ein bewaffneter Konflikt herrscht, oder offen von Krieg gesprochen werden kann: den harten psychischen Alltag der im nahen Osten stationierten Soldaten tut dies keinen Abbruch. Fragen der Moral, der Sinnhaftigkeit oder der Nachhaltigkeit eines immer wieder medial präsenten Einsatzes kursieren Tag für Tag - nicht nur in den Köpfen unmittelbar "Beteiligter". 
Die Kriegsfotografie hat seit jeher eine kompositionelle Sonderrolle eingenommen. Sie erzählt, dokumentiert. Macht meilenweit Entferntes nahbar. Bettet individuelle Tragödien in eine Sphäre menschlicher Anteilnahme und Identifikation. Seit den ersten offiziellen Kriegsbildern im Krimkrieg - um 1850 - manifestieren sich jedoch auch andere Tendenzen: die der Manipulation und Inszenierung. Eine Gradwanderung aus Observismus, Subversion, Faszination und emotionale Betroffenheit, die sich zwischen Betrachter und dem zu Betrachtenden, Subjekt und Objekt, auftut.  
Der aus England stammende Kalpesh Lathigra versteht seine Fotografie als konzeptionelle Einheit , eingekesselt in einer immer weiter fortschreitenden, sich verändernde Umwelt. Er registriert. Berichtet. Präzisiert. Und vergisst bei alledem nicht: memento te hominem esse.
(bilder:kalpesh lathigra)

Freitag, 12. März 2010

time for a gift.

Die Frühjahrsmode ziert Schaufenster und Kataloge, Vögel schnattern in den Morgenstunden und Krokusse strecken zaghaft ihre Stängel in die Luft. Nur eisiger Wind und zittrige Temperaturen dämpfen die aufkommenden Frühlingsgefühle. Bestehen diese doch hauptsächlich aus allzu bekannten Endorphinschmetterlingen und dem Wunsch, endlich ohne körperliche Schutzfunktion und roter Nase in dünner Jacke durch den Tag zu schlendern. 
Wohlige Illusion hin oder her: Einen Vorgeschmack auf Pastell, Leder und flatternde Stoffe bietet der in Paris ansässige Tillmann Lauterbach. Seine relativ schlichte, puristische Mode lässt den funktionalen Zwiebellook vergessen und beweist, dass pelikansartige Eleganz auch endlich in der Fashionwelt Beachtung findet. Binsenweisheit des Tages: "Eleganz hat für mich etwas mit Körperhaltung und Lebenseinstellung zu tun."
Der Sommer wird kommen, Herr Lauterbach.
(bilder:tillmann lauterbach)

Sonntag, 28. Februar 2010

zeig die finger.

Wenn es nun langsam wärmer wird, ist es an der Zeit, seine Fingerchen zu schmücken..Obey, Topshop, H&M oder OAK geben reichlich Inspiration für Tage, die länger erscheinen, als sie eigentlich sind.

Samstag, 13. Februar 2010

androgyner durchgangspfad.

"Kinship is to anthropology what logic is to philosophy and nude is to art: is is the basic discipline of the subject." (Fox)
Der menschliche Körper fesselt. Und entfesselt. Normen, Hemmungen, Zurückhaltung. Denken wir allein an die Orgie in Süskinds "Parfüm", in der sich ein Koloss von fleischfarbenden Körpern ineinander wölbt und zugleich die Doppelmoral (adliger) Bürger öffentlich zur Schau gestellt wird.

Nun thront das dänische Model Freja Beha Erichsen gänzlich unbekleidet im Purple Magazin und löst eine ganze Schar aus von unterschiedlichen Meinungen. Stets dabei: die gender-Frage.
Zu androgyn erscheine die Dänin. Zu männlich. Und Tattoos als toughe Attribute würden ihren Körper weit weg hieven von jeglicher Ästhetik. Hätte Mrs Beha doch ihre lange Haarpracht behalten. Die Tomboy-Fraktion hingegen dreht die Propagandatrommel. Freja bricht mit "Normen", steht zu sich und ihrem Körper. So erscheint das Model wie ein Konstrukt aus Eigen - und Fremdzuschreibungen, die immer bizzarer werden, je weniger Betrachter erkennen, was für ein Mensch eigentlich abgebildet wird. Unabhängig davon, dass ich fasziniert bin von Frejas Wandelbarkeit, moniere ich über ihr Gewicht. Ein Brot mehr würde der guten Frau sicherlich nicht schaden..der Optik ebensowenig.
(pics: tfs)

Mittwoch, 10. Februar 2010

mehr denn je.

Legen wir einander ein Fleischstück hin und stürzen wir wie besessen aufeinander, um die Kost voller Wonne in Stücke zu reißen.
Schlabbernde Münder, paralysierende Fratzen, Einbahnverkehr der Worte. Pietät liegt hinterm Gartenzaun, des Nachbarns Blicke zersetzt Gefühle der Anteilnahme wie eine Laubsäge rasch die Fasern meiner Hemmschwelle. Aber gut. Weil nahezu alles Gedachte kopiert auf dem Schreibtisch liegt, braucht der Tag Morgenbalsam und die Nacht Baldrian für den Schlaf. Pressekannibalen überlisten potenzielle Beute, bis der Teufel spricht: es ist genug. Lauter hohle Phrasen auf Asphalt gestreut. Lauter Gesichter, deren Geschichten ausgepresst werden, ausgedrückt, bis ein neues Ereignis, ein neuer Punkt über den Köpfen die Schlaufe der Dissonanz um sich wickeln lässt. Und danach: mehr als tausend Gedankenfetzen zementieren die Leichtigkeit des Seins. Die Idee als ausgestoßenes Ich. Und das konstruierte Kleid blüht und vergilbt, verfängt sich. Weil Phrasen einen Turm nicht bauen; ihm zugleich jedoch Saat vor die Füße legen.
Feiner Purismus bedarf keiner großen Worte. Wie Kris Van Assche.
(pics: style.com)