Sonntag, 29. November 2009

irrgartenaffäre.

Momentan bin ich der Sturm. Ich wehe durch die Stadt, lasse die letzten Blätter nahezu karger Baumkronen auf den Boden rieseln, sorge für lächelnde Gesichter tobender Kinder und rote Nasen wohl eingepackter Passanten auf Gehwegen. Momentan bin ich ein Sturm. Krieche unter Türschlitze, wehe durch die Gassen und schleiche umher. Langsam, leise. Denn eine Komposition wohlgesetzter Töne braucht ihre Zeit. Schließlich entstehe auch ich nicht aus einem Sturmgebilde, sondern winde mich aus meinen moderateren Brüdern und Schwestern dieser Welt. So schlafe ich immer mal wieder eine Weile, ehe ich ausgeruht in die nächste Periode landschaftlicher Erkundungen übergehe. Viel wird zurzeit geredet. Es manifestiere sich ein Tempowahn in Deutschlands Gesellschaft. So wird gesagt. Ein Wahn, der nicht gerne ausgebreitet wird, aus Angst vor der Zeit. Und ihrem Verlust. Dieser Wahn solle die Produktivität geistiger Tätigkeiten fördern, sagen die einen. Alles Quatsch, betonen die anderen. Er führe zum blinden Rezipieren, vernachlässige das Reflektieren. Das kritische Reflektieren. Auf das wir hier doch so stolz sein können, im Meinungsfreiheitsländle. Oft werden andere Länder zum Vergleich herangezogen. Mit Zahlen umher geworfen. Rankings erstellt. Gespräche geführt. Und unter vorgehaltener Hand spricht man von einem Ökonomiesierungsprozess der Bildungsinstitutionen. Oder dem Hin –und Herschieben der jeweiligen Pflichten von Bund und Länder. Aber zuweilen lächeln Verantwortliche öffentlich lieber in eckige Linsen. Preisen eine „Herzensbildung“, die pluralistische Gesellschaft oder fortwährende Leidenschaft für Bildung. Dann denke ich mir: Gut, dass ich nur saisonal stürme. Oder sollte ich aus Solidaritätsbekundungen besser zum Orkan mutieren?
(picture by eva hillreiner)

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