Samstag, 18. September 2010

weitwärts.


Einbahnstraßen. Lauter Trassen Dynamit. Fehlende Leuchtkegel, abgegraste Pflichtphrasen und insgeheim die Erkenntnis, dass Yann Tiersen eindeutig impulsivere Reize vermittelt als eine uniformierte Gefolgschaft a la „Raupe Nimmersatt“.
Was die letzten Tage vor sind hin dämmerte im blassen grün einer insellosen Hysterie, war weit mehr als nur eine zarte Welle fehlgeleiteter Informationen und lautstarker Kapriolen.
Es ist nicht nur das schwungvolle S – Terzett gewesen, das die Region aufschreckte. Nein. Auch ihre Kollegen hüllten sich in den Tempowechsel des Herbsts. Ähnlich wie ein Fest politischer Blütenrhetorik.
Es war eine Woche, die sich unter dem Schlagwort Kommunikationsoase unter Wert verkauft hätte.
Eine Woche „kleinlauter“, devoter, unliebsamer, und überaus mangelhafter Kommunikation.
Grünes Urgestein Claudia Roth schwört der Koalition „einen heißen Herbst“, Renate Künast präludiert auf einem Regenbogenfamilienfest in der Hauptstad Melodien, die zusammenschweißen („Familie ist, wo Menschen für einander Verantwortung übernehmen“), Gysi kritisiert das Vorgehen des Verfassungsschutzes und konsterniert: „Dieses Bundesamt steckt noch im Kalten Krieg.“ Und auch Arbeitsministerin von der Leyen zögert nicht beim Griff in die verkapselte Wortkiste. Ginge es nach ihr, spräche man nicht vom bereits Kultcharakter angenommenen Hartz-Begriff (Zitat: „Und was machst du?“ „Ich hartze!“), sondern vom Neutralität ausstrahlenden Basisgeld. Vielleicht sollten Bildungsgutscheine lieber unter dem Namen temporärer Bildungszusatz oder freiwillige Bildungstransaktion geführt werden.
Kommunikation und Rhetorik erfordern eine wachsame Aufnahme vom Rezipienten. Und wie schon Rilke und Brecht feststellten, können sie gefährlich sein und stellen bei Missbrauch (der rhetorischen Mittel) nicht nur den institutionellen Gewaltapparat infrage, sondern den Verstand des Zuhörers.
Ohne auf die Prämisse des angestrebten eigenen Vorteils zu achten, können Floskeln von Unternehmern, Politikern oder weiteren Mitmenschen nicht aufgenommen und verarbeitet werden. Im Gegenteil. Die von höheren Instanzen eingeleitete Kommunikation gleicht einem bereits fertig gewebten Netz, welches je nach Gesprächspartner ausgeweitet wird. Diese prinzipiell vorgefertigte Struktur befördert das, was Umfragewerte eines Politikers von dem einen auf den anderen Moment umschlagen lassen: Fehlende Authentizität.
Doch da gerade die Rede von Unternehmen war. Außenminister und Parteigröße Guido Westerwelle ist seiner Pflicht nachgekommen und äußerte sich zu den heutigen Parlamentswahlen in Afghanistan. Erkenntnisreicher hätte seine Analyse nicht ausfallen können. Weise sprach er ins Mikro: „Wahlen, wie wir sie in Mitteleuropa kennen, werden es nicht geben.“ Seine ebenso angesprochene „Aussöhnung und Reintegration“ erscheint jedoch fragwürdig. Den extremistischen Taliban, die für eine strikte Scharia ohne Modernisierung und zeitgenössische Koraninterpretation stehen, können in einer vom Westen angekarrten Demokratieblase nicht bestehen.
Doch alles in allem hilft nach Drahtseilphrasen weder das Pflichtpardon, noch der scheue Blick zur Seite.
Zum Fremdschämen kann man hier und da auch öffentlich Stellung beziehen.

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