Montag, 22. September 2008

Do we need a paradigm shift?

Ich erinnere mich noch gut an den Geschichtscrashkurs, der in Klasse 13 belegt werden musste. Und ich erinnere mich noch gut daran, als ich in den Medien das erste Mal den Namen Radovan Karadzic hörte. Beim erstmaligen Hören konnte ich mit diesem Namen nichts anfangen. Keine Assoziationen wurden geweckt. Der Aha-Effekt blieb ebenso aus. Beim zweiten Hören und der darauf folgenden Erläuterung seiner Person, wunderte ich mich allerdings gewaltig, dass ich den Namen des despotischen Massenmörders bis dato noch nie gehört, geschweige denn etwas über den Hintergrund seiner Gräueltaten erfahren hatte.
Gleiches erging mir bei seiner „neu“ angenommenen Identität des psychologisch versierten Mediziners Dragan Dabić. In diesem Fall war ich jedoch nicht die Einzige, die über seine neue Identität keinerlei Kenntnisse verfügte, denn anscheinend war sich niemand über das jahrzehntelange Versteckspiel seinerseits bewusst.
Zumindest nicht jene, welche es hätten wissen sollen.
Zurück zum Geschichtscrashkurs.
Da er, wie der Name schon sagt, ein Crashkurs sein sollte, rätselten meine Mitschüler und ich einige Male darüber, welche Themen wohl in diesen Stunden der Wissensvermittlung behandelt werden würden. Einige Thematiken hatten schließlich schon in verschiedenen Fächern der Sekundarstufe I und II ihren Weg in unser Gehör und darüber hinaus (hoffentlich) ins Langzeitgedächtnis gefunden. Nach ein paar Stunden, die unvorteilhaft freitags morgens stattfanden, erkannten wir schließlich, dass uns ein Paukenschlag, ja geradezu eine Berg –und Talfahrt durch die deutsche Geschichte -beginnend im späten 18. Jahrhundert- erwartete. Parallel dazu gestaltete sich der Unterricht aus Filmen und eigens erarbeiteten Referaten.
Ein wenig Autodidaktik schadet schließlich nicht.
Wir wurschtelten uns also von Bismarck zum aufkommenden Wahlrecht, durch den ersten Weltkrieg, und den goldenen zwanziger Jahren.
Allesamt jedoch mündeten gradlinig in einem großen Themenbereich: Dem Nationalsozialismus. Um den größtmöglichen Lernerfolg zu erzielen, wurden Referatsthemen verteilt und nach einiger Bearbeitungszeit vorgetragen.
Woche für Woche. Schier endlose Stunden, in welchen eine kollektive Müdigkeit durch den Raum schwebte.
Keine Frage: Die Thematik des Nationalsozialismus ist Bestandteil der deutschen Geschichte - undenkbar einen so elementaren Teil wegzulassen.
Es stellt sich allerdings die Frage, ob es sinnvoll scheint, ihn wie ein lebloses Vieh auszuschlachten. Wäre es nicht klüger, die quantitative Gewichtung gegen eine Qualitative einzutauschen? Nach dem Prinzip: Weniger Nationalsozialismus, im Gegenzug aber einen besseren Überblick über die Geschichte und Ereignisse außerhalb der deutschen Grenze.
Hier stellt sich nun die Frage, welche Gewichtung anderen geschichtlichen Ereignissen im Unterricht zugesprochen werden sollte. Und was resultiert aus der Tatsache, dass andere Punkte, wie z.B. die Geschichte des Nahen Osten oder des asiatischen Kontinents, aus „Zeitmangel“ nicht oder kaum berücksichtigt werden?
Nach einer kleinen Diskussion mit meinen Mitschülern kamen wir zu dem Entschluss, dass es uns an Zeitbewusstsein mangelt. Nicht, dass wir nicht realisieren, was in der Welt geschieht, aber wie soll man die Gegenwart verstehen lernen, wenn wir keinen wirklichen Überblick über „andere“ geschichtliche Vorgänge haben? Zugespitzt könnte ebenso gefragt werden, inwieweit diese Undurchsichtigkeit über die Geschichte unser eigenes Bewusstsein beeinflusst und ob sie uns daran hindert, sowohl Verantwortung für unsere Mitmenschen zu übernehmen als auch ihnen emphatisch gegenüber zu treten. Oder kann es so á la „was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß“ gehandhabt werden?
Welchen Stellenwert hat dieser Blick über den eigenen Tellerrand, wenn man sich in einer globalisierten und zugleich mehr und mehr entfremdeten Welt zurechtfinden muss?
Eines ist klar: Zu harsch wollen wir allerdings auch nicht urteilen: Hier wird der Drahtseilakt von Schule und Lehrplan aufgezeigt. In diesem Sinne ist es natürlich einfach, der Schule sämtlichen Bildungsauftrag zuzuschreiben. Schließlich, und dies sollte betont werden, sind auch wir ein aktiver Teil der Gesellschaft und können demzufolge die Basis unseres Wissens in einer gewissen Bandbreite selber legen.
Nichtsdestotrotz zeigt das Beispiel Karadzic, wie schnell Wichtiges vergessen wird oder vergessen worden ist. Auch wenn Schüler häufig den Charakter der Unzufriedenen auferlegt bekommen: Vielleicht lag dieses Malheur am Lehrer. Vielleicht am Lehrplan. Vielleicht an der Schule. Aber sicherlich nicht an meinem Gehör. Denn einen solchen Namen kann man eigentlich nicht vergessen.

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